Prioritäten statt Alternativlosigkeit - FDP-Fraktion lehnt Haushalt ab

FDP Hemer

Nach den Redebeiträgen der Fraktionen stimmten die Fraktionen von CDU, SPD, UWG und GAH zu. Einzig die FDP-Fraktion lehnte den Haushalt ab, weil er der dramatischen Lage nicht gerecht wird, Sparsamkeit sowie Prioritätensetzung vermissen lässt und in strategischen Fragen zu wenig Akzente setzt.

Fraktionsvorsitzender Arne Hermann Stopsack erläuterte in seiner Haushaltsrede (hier als pdf) die entsprechenden Gründe und Vorstellungen der FDP:

FDP Hemer

Liebe Ratskolleginnen und -kollegen,

sehr geehrter Herr Bürgermeister Christian Schweitzer,

sehr geehrter Herr Kämmerer Frohwein

sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Rathaus,

meine Damen und Herren!

Seit 25 Jahren halte ich für die FDP-Fraktion die Rede zum Haushalt. Eine solch dramatische Lage allerdings habe ich noch nie erlebt. Wir leben in disruptiven Zeiten in denen tiefgreifende Krisen schnell aufeinanderfolgen: Weltfinanzkrise (2007), Flüchtlingskrise (2015), Coronakrise (2020) und aktuell der Ukrainekrieg mitten in Europa (2022). Die Folgen der Krisen sind alle noch nicht ausgestanden und verstärken sich gegenseitig. Flankiert wird dies alles von tiefgreifenden weiteren Veränderungen, ich nenne hier nur die Demographie, die Dekarbonisierung oder die Deglobalisierung.

Bei der letzten Haushaltsplanberatung und -verabschiedung vor gut einem Jahr haben wir noch die leise Hoffnung gehabt, dass es langsam besser werde. Die letzten Monate haben uns aber leider eines Besseren belehrt: die Krisen und Veränderungen treffen uns unvermindert mit voller Wucht – und ein Ende ist nicht abzusehen. Dies alles bildet sich dann ab in: Inflation, Energieknappheit, Tariferhöhungen, Arbeitskräftemangel, Rezession, schwierigen politischen Prozessen usw. usf. Hierbei sind die Finanzen so etwas wie das Fieberthermometer der Entwicklung und dieses zeigt bedrohlich hohe Werte an: Bei den Gemeinden und Gemeindeverbänden wuchsen die Ausgaben deutlich stärker als die Einnahmen. Das Finanzierungsdefizit betrug 2024 6,8 Milliarden Euro, nach einem Überschuss von 2,6 Milliarden Euro im Vorjahreszeitraum. Die bereinigten Ausgaben der Gemeinden und Gemeindeverbände stiegen im Jahr 2023 im Vergleich zum Jahr 2022 sehr stark um 12,0 % beziehungsweise 39,2 Milliarden Euro auf 364,9 Milliarden Euro. Treiber der Ausgabenseite waren vor allem die Sozialausgaben. Sie stiegen um 11,7 % auf 76,0 Milliarden Euro.

Gerade die Steigerungen im Sozialbereich, sind auf Dauer nicht mehr verkraftbar. Wir sind an dem Punkt angekommen, wo wir weder die finanziellen Mittel haben noch das notwendige Personal. Die Sozialleistungsquote in Deutschland liegt inzwischen bei 32,5%, d. h. jeder dritte Euro der Wirtschaftsleistung geht in den sozialen Bereich, das sind 1.162 Mrd. Euro. Wir brauchen deshalb nicht nur die Schuldenbremse, sondern auch eine Sozialstaatsbremse. Das heißt nicht, dass man den Menschen einfach die Leistungen streichen oder reduzieren soll. Es geht vielmehr darum, Leistungen effizienter zu erbringen, Standards der Leistungserbringung zu hinterfragen und nicht immer weiter zu erhöhen, agiler zu werden.

Neben den Ausgaben für Sozialleistungen wuchsen auch andere bedeutsame Ausgabearten kräftig: In den Kernhaushalten stiegen die Personalausgaben um 7,4 % auf 80,9 Milliarden Euro, was vor allem auf den Tarifabschluss 2023 im öffentlichen Dienst zurückzuführen ist. Die laufenden Sachaufwendungen stiegen um 8,2 % und die Sachinvestitionen um 12,3 %. Der sprunghafte Anstieg der Zinsausgaben der Kernhaushalte um 37,4 % im Jahr 2023 ist mit der Refinanzierung und Neuaufnahme von Verbindlichkeiten zu höheren Zinssätzen als in den Vorjahren zu erklären.

Die bereinigten Einnahmen der kommunalen Kern- und Extrahaushalte waren im Jahr 2023 mit 358,1 Milliarden Euro zwar um 9,0 % oder 29,7 Milliarden Euro höher als im Vorjahr, sie konnten damit aber den Anstieg auf der Ausgabenseite nicht ausgleichen. Die Einnahmen aus Steuern (netto) waren mit 130,3 Milliarden Euro im Jahr 2023 um 7,3 % höher als im Jahr 2022. Letztlich bilden sich die Defizite dann in der Verschuldung der kommunalen Familie ab: Bei den Gemeinden und Gemeindeverbänden nahm die Verschuldung bis zum Jahresende 2023 zu. Sie stieg gegenüber dem Jahresende 2022 um 9,1 Prozent oder 12,9 Milliarden Euro auf 153,6 Milliarden Euro.

Interessant bei der Gesamtstatistik aller öffentlichen Haushalte ist, dass das Finanzierungsdefizit von 91,9 Mrd., Euro – wie in den Vorjahren – zum weitaus größten Teil zu Lasten des Bundes (-87,6 Milliarden Euro) geht, während sich bei den Ländern Einnahmen und Ausgaben nahezu ausglichen. So viel dazu, dass die Bundesländer immer alles vom Bund haben wollen oder der Bund die kommunalen Altschulden übernehmen soll. Staatsrechtlich und finanzsystematisch haben die Bundesländer die Aufgabe, dass die Kommunen finanziell leistungsfähig sind und bleiben. Und was da bisher in NRW getan worden ist, beschränkt sich leider weitgehend darauf, die technischen Haushaltsregeln zu ändern (z. B. Voraussetzungen für die Haushaltssicherung, größerer globaler Minderaufwand oder Verlustvortrag), mehr Geld oder Entlastung bei Aufgaben sind eher Fehlanzeige. Die schlechte Lage wird nur anders gebucht, im Ergebnis verschleiert. Wir verschieben Belastungen in die Zukunft, die kommenden Generationen werden bezahlen müssen, was wir aktuell ausgeben! Kommunen sind von Krisen, wie man an den Zahlen deutlich ablesen kann, von zwei Seiten her betroffen: Während die Einnahmen, besonders bei der Gewerbesteuer, stagnieren, laufen die Ausgaben, besonders bei den Leistungen im Sozial- und Jugendbereich davon. Diese Schere prägt auch den Doppelhaushalt der Stadt Hemer für die Jahre 2024/25 und die gesamte Mittelfristige Finanzplanung.

Positiv muss vermerkt werden, dass in diesem Haushalt keine Steuererhöhung für 2024 oder 2025 verarbeitet ist, wie dies viele andere Kommunen machen mussten. Seit über 10 Jahren sind in Hemer die von den Bürgerinnen und Bürgern zu zahlenden Beträge gleich. Dennoch ist wegen der hohen Defizite der kommenden Jahre eine Steuererhöhung in der Mittelfristigen Finanzplanung eingeplant. Etwas, was keiner will und verhindert werden muss.

Im Rahmen der Einbringung des Haushaltes hatten deshalb der Bürgermeister und der Kämmerer in ihren Reden zwei Maximen in den Raum gestellt: es müssen Prioritäten gesetzt werden und zusätzliche Ausgaben aus den Fachausschüssen müssen an anderer Stelle wieder eingespart werden. Und gerade bei letzterem standen ja schon zusätzliche Millionenbeträge in den Vorlagen, zum Beispiel 1,1 Mio. Euro Mehraufwand für Schutzkleidung für die Feuerwehr. Da musste man doch harte, intensive und lange Haushaltsplanberatungen erwarten. Ich hatte gedacht, dass die Fraktionen unterschiedliche Schwerpunkte setzen, unterschiedlichen Projekte und Ausgabenpositionen kritisch hinterfragen und grundsätzliche strategische Themen diskutiert werden. Auch hatten wir von der Verwaltung erwartet, dass ergänzend Dinge aufgezeigt werden, auf die man vielleicht verzichten könne, die man anders oder kleiner machen könne oder in kommende Jahre verschieben soll. Doch es kam genau das Gegenteil: Viele der Ausschusssitzungen dauerten keine Stunde, es wurde kaum diskutiert, geschweige denn politisch um den besten Weg gerungen. Man hatte fast den Eindruck, alles werde als alternativlos hingenommen, nach dem Motte „ist dann eben so.“ Ja, es schien, als wolle man sich der Situation ergeben, wie das Kaninchen vor der Schlage.

Wir als FDP-Fraktion haben in etlichen Ausschusssitzungen versucht, Themen anzustoßen oder Maßnahmen zu hinterfragen, mit wenig Erfolg.

Erst auf den letzten Metern gab es dann etwas Bewegung und das Hinterfragen von bestimmten Ausgaben oder Projekten. Doch da war es dann schon zu spät, z. B. beim Westiger Park. Auch die HH-Kommission hat, bis auf den Verzicht des Klimalehrpfades, keinen wirklichen Beitrag mehr liefen können oder wollen. Gewiss, ich weiß auch, dass wir bei aller Anstrengung schon wegen der gesetzlichen Pflichtaufgaben es nicht schaffen können, das Defizit auf null zu bringen. Wir sollten aber den Anspruch haben, es zu verringern und uns so etwas mehr Luft für die kommenden Jahre zu verschaffen. Denn Geld, das wir heute für unsere Herausforderungen ausgeben, aber morgen erst bezahlt werden muss, steht morgen den Menschen für ihre dann anliegenden Aufgaben nicht zur Verfügung. Sparsamkeit ist ein Gebot der Generationengerechtigkeit. Dazu gehört es eben, wie der Bürgermeister gefordert hat, Prioritäten zu setzen: Wichtiges vor Wünschenswertem. Natürlich gibt es viele Dinge, die schön sind, die man haben möchte, aber nicht alles ist auch dauerhaft leistbar! In der Krise haben unsere Bürgerinnen und Bürger auch Verständnis dafür, dass bestimmte Maßnahmen eben nicht umgesetzt werden. Doch leider sind die von der FDP-Fraktion gemachten Vorschläge nicht aufgegriffen worden, es wurden alle Verwaltungsvorschläge durchgewinkt. Und auch das vom Kämmerer geforderte Einsparen der Zusatzausgaben fand nicht statt, diese Ausgaben kommen jetzt on top. Man kann also von einer doppelten Zielverfehlung sprechen.

Wir als FDP-Fraktion werden den Haushalt in diesem Jahr ablehnen, weil er der dramatischen Lage nicht gerecht wird, Sparsamkeit sowie Prioritätensetzung vermissen lässt und in strategischen Fragen zu wenig Akzente setzt. Unser Motto lautet: Prioritäten statt Alternativlosigkeit!

Wir haben investive Einzelmaßnahmen von 104 Mio. Euro bis 2028 im Haushalt. Das ist für eine so kleine Stadt eine Riesensumme. Nach Abzug von Fördergeldern etc. von knapp 42 Mio. Euro bleiben immer noch 62 Mio. Euro Eigenanteil, der uns Zinsen und Abschreibungen kostet. Diese Investitionen belasten dauerhaft die kommenden Haushaltsjahre und sind aus FDP-Sicht in der Gesamtsumme nicht tragbar. Diese vielen Maßnahmen werden allerdings auch schon aus Personal-, Lieferketten und Kapazitätsgründen nicht alle umgesetzt werden können. Schon in den vergangenen Jahren haben wir vieles von dem, was wir uns vorgenommen hatten, d. h. dem Bürger versprochen hatten, nicht geschafft. Davon zeugen heute Ermächtigungsübertragungen von über 16,6 Mio. Euro.

Im letzten Jahr hatten wir einen Haushaltsbegleitbeschluss, alle Investitionsprojekte über 50.000 Euro nochmals kritisch zu überprüfen. Dies wurde ja auch mit gutem Erfolg umgesetzt; dieses Mal haben allerdings einen solchen Anspruch nicht. Schade! Im Ergebnis ist nämlich ein überdimensioniertes Investitionsprogramm immer die Einladung an die Verwaltung selbst zu entscheiden, welche Projekte denn nun umgesetzt werden sollen. Gerade in einer so kritischen Lage benötigt die Stadt eine Gesamtstrategie, die konsequent verfolgt wird. Ja, wir haben unsere strategischen Ziele, die der Rat am Anfang der Periode beschlossen hat. Was uns fehlt ist ein Steuerungsmechanismus zwischen den großen Zielen und den konkreten Maßnahmen aus den einzelnen Ausschüssen.

Bei manchen Entscheidungen frage ich mich deshalb, warum wir etwas machen, welche konkreten Wirkungen wir erzeugen wollen und wie man das hinterher messen kann. Und deshalb wirkt letztendlich vieles, was mit Mehrheit in der Politik beschlossen wird, wie ein Sammelsurium ohne klaren Fokus auf die Kernaufgaben.

Wir haben als Stadt in den letzten Jahren z. B. Millionen Euro für öffentliche Grünflächen ausgegeben, z. B. den Friedenspark. Warum investieren wir jetzt noch so große Summen in den Westiger Park, die Außenanlagen vom Hallenbad oder die Flächen rund um die Bücherei? Die FDP-Fraktion hat diese Maßnahmen immer schon kritisch gesehen und oft dagegen gestimmt. Die anderen Fraktionen wollten den Weg der deutlichen Kostensenkung aber nie mitgehen. Beim Westiger Park wollten einige jetzt den Rotstift ansetzen, aber es ist schon zu spät…

Deshalb ist es wichtiger denn je, Prioritäten zu setzen. Das heißt herauszustellen, was einem besonders wichtig ist. Für uns als FDP-Fraktion haben folgende Themen/Projekte aus strategischen Gründen für Hemer Priorität:

  • Stadtmitte 4.0 – Zusammen leben, lernen, arbeiten“ mit der Stadtbücherei als Kernbaustein. Hier wurde ein strategisch für die Innenstadt wichtiges Projekt angeschoben und ist in der Umsetzungsphase. Dabei geht es um Bildung, Kultur, Lernen, Kommunikation und Belebung der Innenstadt. Das muss umgesetzt werden!

 

  • Genauso wichtig ist für Hemer der Sauerlandpark als überregionales Alleinstellungsmerkmal. Aber auch hier dürfen wir, wie schon in den strategischen Zielen formuliert, den Zuschussbedarf nicht ständig wachsen lassen.

 

  • Natürlich ist Bildung für uns als Freie Demokraten ein Kernthema. Dazu gehören selbstverständlich gut ausgestattete und baulich ansprechende Schulgebäude sowie ein differenziertes Bildungsangebot. Man kann sich aber durchaus darüber streiten, ob die Renovierung eines Textilraums am Gymnasium für 85.000 Euro erforderlich ist.

 

  • Ferner ist Mobilität in Hemer ein zentrales Anliegen von uns. Wir brauchen gute und sichere Straßen, auf denen der Verkehr auch wirklich fließt. In den letzten Monaten waren die Straßen in der Innenstadt oft mehr Stehplatz als Fahrbahn.

 

Wir haben in Hemer eine tolle Musikschule mit einem breiten Angebot und einem exzellenten Ruf. Dies wollen wir erhalten, was auf Grund der Finanzlage und der zusätzlichen Personalkosten auf Grund sozialrechtlicher Regelungen wahrlich nicht einfach wird. Es ist deshalb wenig hilfreich, wenn im zuständigen Ausschuss lapidar gesagt wird, man könne nicht sparen, weil man sonst den Status als Musikschule verlieren würde. Solche Themen müssen tiefergehend erörtert werden. Leider gibt es zwischen den HH-Beratungen viel zu wenig Gelegenheit, in den Fachausschüssen die Strukturen und Produkte genauer zu analysieren und politisch steuernd Einfluss zu nehmen.

Wichtig ist uns natürlich eine gute Betreuung in den Kindertagesstätten. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Kosten dafür innerhalb von nur 10 Jahren sich von 4,15 (2015) auf 8,58 Mio. Euro (2024) mehr als verdoppelt haben. Genauso müssen wir konstatieren, dass die Ausgaben im Bereich der Familienhilfe steil ansteigen, sich von 2014 auf 2024 auf 8,2 Mio. Euro verdoppeln. Leider wurde nicht darüber diskutiert, wie man dem Trend begegnen kann. Vor Jahren gab es einmal ein Deckert-Gutachten, dass die Strukturen und Prozesse im Jugendamt durchleuchtet hat. Aus unserer Sicht wäre es an der Zeit, so etwas erneut anzustoßen.

Ganz große Herausforderungen sind und bleiben Migration und Flucht. Ich möchte hierzu keine Generaldebatte aufmachen. Es sei aber den Hinweis erlaubt, dass es wieder die Städte und Gemeinden sind, die die finanzielle und organisatorische Hauptlast zu tragen haben. Das stellt nicht nur die Stadt vor finanzielle und personelle Probleme, sondern bringt auch für den Zusammenhalt der Gesellschaft völlig neue Herausforderungen.

Als FDP-Fraktion begrüßen wir ausdrücklich die Bezahlkarte und hoffen auf eine schnelle Einführung in NRW und Hemer.

Kommunal muss es unser Anspruch sein, die Unterbringung und Integration wirtschaftlich effizienter zu gestalten und uns an den Beträgen zu orientieren, die wir von Bund und Land zugewiesen bekommen. Dies gilt vor allem für den Umbau der KEA in Deilinghofen.

Ein immerwährendes Thema ist der dynamische Anstieg der Kreisumlage. Hier verzeichnen wir von 24,9 Mio. (2023) einen Zuwachs auf fast 35 Mio. Euro in 2028. Gegen diesen Aufwuchs der Kreisumlage können wir in Hemer nicht ansparen. Ich schließe mich hier den immer wieder vorgebrachten kritischen Ausführungen des Bürgermeisters und des Kämmerers an.

Eine Bemerkung will ich allerdings ergänzend machen: Während wir in Hemer auch schauen, wie man Einnahmen erhöht, ich verweise hier exemplarisch auf die heute zu beschließenden Erhöhungen für Musikschulgebühren, schafft der Märkische Kreis die Eintrittsgelder in seinen Museen komplett ab und verzichtet somit auf Einnahmen im fünfstelligen Bereich. Das halte ich für das völlig falsche Signal bei einem Umlagehaushalt, der sich das Geld bei anderen holen kann! Jahrelang hat die Europäische Zentralbank die Zinsen künstlich niedrig gehalten. Diese Zeiten sind inzwischen vorbei: Schulden kosten wieder richtig Geld. So steigt in der Mittelfristigen Finanzplanung die Zinsbelastung um 3 Mio. Euro. So schwer es auch fallen mag: Auch bei der Einnahmen-Seite muss man aktiv werden. Besonders dort, wo hochwertige kommunale Leistungen angeboten werden, die nur von einem kleinen Teil der Bevölkerung genutzt, aber von allen bezahlt werden, müssen wir den Kostendeckungsgrad stärker im Blick haben.

Das gilt zum Beispiel für die Mittagsverpflegung an den Schulen oder Kindertagesstätten. Die Elternbeiträge sind seit mindestens 2006 (!) konstant, die Kosten aber erheblich gestiegen. Schon bei den Haushaltsberatungen für 2023 sollten die Beiträge angepasst werden, doch dies wurde aus formalen Gründen nicht gemacht. Vielmehr wurde von der HH-Kommission festgelegt, ab 2024 eine Einnahmeerhöhung von 20.000 Euro zu erzielen. Dieser Beschluss wurde von der Verwaltung eigenmächtig ignoriert, in der Vorlage für den Ausschuss kam das Thema gar nicht vor. Lapidar wurde auf Nachfrage im Ausschuss auf das Land und den Koalitionsvertrag verwiesen. Das geht so gar nicht!

Wir dürfen nicht auf alle Fördertöpfe aufspringen, besonders wenn es nur um geringe Beträge geht. Zwar ist es schön, wenn jemand anderes Geld gibt. Allerdings muss man immer im Auge habe, auch Fördergelder waren vorher Steuergelder! Genauso wichtig ist, dass es immer Eigenanteile der Stadt gibt, fast immer laufende Folgekosten und die Abwicklung Personal bindet. Als Beispiel möchte ich hier auf Leader-Region “HIM – das sind wir!”, bestehend aus Hemer, Iserlohn-Nord und Menden verweisen. Ein seltsames, weil völlig künstliches Gebilde, in das viel Ressourcen gesteckt worden sind und Förderquoten von 65 bis 80% bringen soll. Ob am Ende wirklich ein nennenswerter Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger entsteht, erscheint uns fraglich.

Vielleicht könnte man ja mal neue Formen der Meinungsbildung, Entscheidung bzw. Finanzierung ausprobieren. Wie wäre es z. B. mal mit einem Crowdfunding-Projekt (Schwarmfinanzierung)? Die Stadt setzt etwas um, wenn bestimmte Beiträge der Bürger, Einrichtungen, Vereine oder Unternehmen eingehen. Gerade bei kulturellen Projekten oder Veranstaltungen für die Jugend wäre das mal ein innovativer Ansatz.

Ein immer wiederkehrendes Motiv in meinen letzten HH-Reden war die Wirtschaftsförderung, wo ich für die FDP-Fraktion angemahnt habe, eine klare Struktur, Aufgaben und Ziele zu definieren und diese dann auch zu controllen. Dies wurde Ende 2023 endlich aufgegriffen und mit einer Vorlage für den Haupt- und Finanzausschuss hinterlegt. Dort wurde intensiv und kritisch darüber diskutiert und eine inhaltliche Überarbeitung zugesagt. Leider wurde im Haupt- und Finanzausschuss, wo das Querschnittsthema eigentlich hingehört, nie wieder darüber gesprochen. Lediglich in den Haushaltsplanberatungen im StUV wurde das Thema in den Produktbeschreibungen versteckt, aber nicht inhaltlich erörtert. Das ist für ein so wichtiges Thema viel zu wenig und hilft nicht, ein klares Profil der Wirtschaftsförderung mit klaren Zielvorgaben und -vereinbarungen zu schaffen.

Wir als FDP-Fraktion sind auch der Auffassung, dass die Möglichkeiten einer freiwilligen interkommunalen Zusammenarbeit bei weitem noch nicht ausgeschöpft sind. Es geht hier nicht um Zusammenlegung von Einheiten, sondern um wechselseitige Aufgabenwahrnehmung, Unterstützung und Abrundung von Angeboten in der Region. Das kann gut im Bereich der Jugendhilfe erfolgen oder z. B. bei der Musikschule. Auch die Kooperation bei der Feuerwehr muss forciert werden.

Schon seit vielen Jahren fordert die FDP-Fraktion ein strategisches Immobilienkonzept. Wir müssen unseren Bestand kritisch prüfen und fragen, welche Räumlichkeiten muss die Stadt Hemer vorhalten und betreiben. Wir haben in den vergangenen Jahren etliche neue Räume hinzu bekommen, ob nun am Sauerlandpark oder am Alten Amthaus. Hier müssen wir überlegen, wie die tatsächliche Auslastung der Räume ist und welche Bedarfe in Zukunft sich ändern.

Dazu gehören besonders das Thema Desksharing und New Work für die klassischen Verwaltungsarbeitsplätze. In den Zeiten der Digitalisierung und von Homeoffice muss nicht jeder Mitarbeiter, vielleicht noch als Halbtageskraft, ein eigenes Büro mit Zimmerpalme haben. Hier sind mittelfristig hohe Einsparpotentiale. Dies wurde im Haushaltsbegleitbeschluss 2023 auch festgehalten (Punkt b), aber bis jetzt nicht wirklich weiterverfolgt.

Wichtig ist natürlich auch eine moderne Bewirtschaftung des Gebäudebestandes unter Ausnutzung digitaler Systeme.

Gestatten Sie mir am Ende noch einen Ausblick auf 2025: In diesem Jahr finden ja nicht nur die nächsten Bundestagswahlen, sondern auch Kommunalwahlen NRW statt. Unabhängig vom Wahlergebnis deutet sich ein Generationenwechsel an: nach unabhängigen Untersuchungen werden 20 bis 25% der aktuellen kommunalen Mandatsträger auf den unterschiedlichsten Ebenen nicht wieder antreten. Die Gründe dafür sind vielschichtig und reichen von der persönlich gefühlten Altersgrenze bis hin zu beruflich oder familiär anderer Schwerpunktsetzung.

Eine wichtige Rolle spielt aber vielfach auch, dass sich die Rahmenbedingungen für ehrenamtliche Politik in den letzten 25 Jahren entscheidend verschlechtert haben: Die permanente kommunale Finanzmisere führt dazu, dass vor Ort kaum noch politische Gestaltungsmöglichkeiten sind, dass es vielmehr nur noch um Einschnitte und geordneten Rückbau geht und den Bürger und Bürgerinnen nur „schlechte Nachrichten“ verkündet werden können. Außerdem werden auch die Kommunalpolitiker immer für alles der sog. großen Politik verantwortlich gemacht und sehen sich im öffentlichen Diskurs, besonders in den sozialen Medien, einer permanenten Kritik ausgesetzt, die sehr oft sachlich nicht fundiert und in der Formulierung übergriffig ist. Da ist es kein Wunder, wenn immer weniger Menschen bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.

Eine gesunde kommunalpolitische Basis, wo sich viele Menschen engagiert einbringen, ist unabdingbar für das Funktionieren des demokratischen Staates. Wir alle hier sind aufgerufen, daran mitzuwirken, Kommunalpolitik erlebbar zu machen und positiv zu besetzen.

Enden möchte ich mit einem Zitat von Bill Clinton: „Mächtige Kräfte erschüttern und gestalten sie um, unsere Welt, und die brennende Frage unserer Zeit lautet, ob wir den Wandel zu unserem Freund statt zu unserem Feind machen können.“ Dieser Aufgabe sollten wir uns gemeinsam mit optimistischer Grundeinstellung widmen. Ausdrücklich möchte ich mich abschließend für das in Hemer gelebte gute Miteinander von Politik und Verwaltung bedanken, auch wenn man mal anderer Meinung ist.

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit und Glück auf!